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Patente & Europäisches Patentgericht

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Patente & Europäisches Patentgericht

Patente

Patente

Ein Patent ist ein ausschließliches Recht, das für eine Erfindung, ein Produkt oder einen Prozess gewährt wird. Es bietet entweder eine neue Möglichkeit, Prozesse zu optimieren, oder stellt eine neue technische Lösung für Probleme dar. Patente sind ein wesentlicher Bestandteil der Rechtsgrundlage für den Schutz des geistigen Eigentums (IP = Intellectual Property). Sie ermöglichen es Erfindern und Unternehmen, aus ihren Erfindungen oder Schöpfungen finanziellen Nutzen zu ziehen. Der VPLT unterstützt nachdrücklich den Schutz des geistigen Eigentums, da dieser die Voraussetzung für Kreativität und Innovation in unserem Markt ist. Es ist jedoch immer wichtig, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen der Patentinhaber, dem freien Wettbewerb und dem breiteren öffentlichen Interesse besteht.

Aus rein rechtlicher Sicht wird die Qualität eines Patents daran gemessen, ob es einem Gerichtsverfahren standhält, ohne dass es ungültig wird. Für den Markt ist ein gutes Patent „ein Patent, das die Hauptziele des Patentsystems erfüllt, d. h. Innovationen zu belohnen und zu fördern und gleichzeitig die Verbreitung und weitere technologische Entwicklungen zu ermöglichen“.1

Patentämter gewähren die „Ansprüche“ eines Patents, um den Umfang der ausschließlichen Rechte des Inhabers zu definieren. Es ist die durch diese Ansprüche definierte Erfindung (Produkt, Prozess oder Methode), die der Inhaber lizenzieren, verkaufen oder gegenüber Dritten durchsetzen kann. Obwohl es internationale Verträge gibt, die Mechanismen für die gleichzeitige Anmeldung von Patentrechten für dieselbe Erfindung in mehreren Ländern vorsehen, handelt es sich bei Patenten im Allgemeinen um nationale Rechte. Regierungen jedes Landes gewähren diese separat.

Das Europäische Patentamt (EPA) ist eine zwischenstaatliche Organisation, die seit 1977 Erfindern, Forschern und Unternehmen aus der ganzen Welt den Schutz durch ein zentralisiertes und einheitliches Verfahren bietet. Es braucht dafür nur eine Anmeldung. Allerdings galt bei Fragen der Verletzungen oder Nichtigkeit europäischer Patente bisher immer noch die nationale Gerichtsbarkeit im jeweiligen Vertragsstaat. Aktuell gibt es 39 Mitgliedsstaaten, die durch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) das EPA-Patenterteilungsverfahren unterstützen. Das macht die juristische Durchsetzung von Patentrechten oder die rechtliche Feststellung ihrer Nichtigkeit aufwendig, langwierig und teuer.

Das einheitliche Patentgericht

Problematisch sind jedoch inzwischen die zahlreichen Prüfungen der „Ansprüche“ eines Patents durch die nationale Gerichtsbarkeit. Daher möchte die Europäische Union mit einem „Einheitlichen Patentgericht“ (UPC = Unified Patent Court = EPG) als internationale Organisation Abhilfe schaffen. Im Jahr 2013 begann der Prozess, dieses Gericht durch das UPC-Übereinkommen (UPCA) zu etablieren – und dieser tritt nun in eine entscheidende Phase. Deutschland ist diesem Übereinkommen im Februar 2023 beigetreten. Für alle Unternehmen in den Mitgliedsstaaten, die das UPCA ratifiziert haben, gibt es seit dem 1. Juni 2023 die Möglichkeit, „Einheitspatente“ für die EU anzumelden. Der gesamte Prozess der „Übergangszeit“ zu einem vollwertigen Europäisches Patentgericht wird allerdings noch 7 bis 14 Jahre dauern…

Das EPG bietet einen einheitlichen, spezialisierten und effizienten Rahmen, um Patentstreit auf europäischer Ebene zu lösen. Es befasst sich sowohl mit Verletzungsklagen als auch mit Klagen auf Nichtigerklärung. Für „klassische“ europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung (Einheitliche Patente) wird zukünftig ausschließlich dieses Gericht zuständig sein. Hinsichtlich der ausschließlichen Zuständigkeit für „klassische“ europäische Patente gelten jedoch für einen Übergangszeitraum von sieben Jahren Ausnahmeregelungen. In diesem Zeitraum können „klassische“ europäische Patente betreffende Klagen weiterhin bei nationalen Gerichten oder anderen zuständigen nationalen Behörden erhoben werden. Darüber hinaus können „klassische“ europäische Patente von der Zuständigkeit des EPG vollständig ausgenommen werden.

Derzeit haben 17 Länder das Übereinkommen ratifiziert. Das „Europäische Patent“ gilt in den 39 EPÜ-Ländern plus zwei Erstreckungs- und vier Validierungsstaaten. Es musste bisher in jedem einzelnen Land validiert und aufrechterhalten werden. Das neue Einheitspatent ist nur in 24 teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten verfügbar. Bei ihm entfällt, das Patent national zu validieren. Die aktuelle Situation beschreibt die folgende Karte:

Unterschiedliche Entscheidungen verschiedener nationaler Gerichte zur Verletzung und Gültigkeit desselben Patents sollen nach und nach verschwinden. Denn das  UPC entwickelt eine europäische Rechtsprechung und setzt sie künftig durch. Das erhöht die Rechtssicherheit für alle Nutzer. Im Laufe der Zeit soll sich ein effizienteres und ausgewogeneres System für Patentstreitigkeiten herausbilden, von dem sowohl Patentinhaber als auch Dritte profitieren.

Mögliche Vorteile eines europäischen Einheitlichen Patentgerichts:
  • geringeren Kosten für Jahresgebühren und Übersetzungen – nur noch eine Gebühr an das EPA und lediglich zwei Übersetzungen müssen eingereicht werden (Deutsch, Englisch oder Französisch).
  • Klagen werden vor einem Einheitspatentgericht gebündelt – das ist kostengünstiger und mit weniger administrativem Aufwand verbunden.
  • Urteile sollen innerhalb eines Jahres ab Prozessbeginn gefällt werden.
  • Es ermöglicht den Inhabern von Einheitspatenten und europäischen Patenten die Durchsetzung ihrer Rechte – und Dritten den Widerruf von Patenten – in allen EU-Mitgliedstaaten, die das UPC-Übereinkommen ratifiziert haben.
Mögliche Nachteile eines europäischen Einheitlichen Patentgerichts:
  • Eine einzige Klage kann dafür sorgen, den gesamten EU-Markt zu verlieren.
  • Die noch zu entwickelnde Rechtsprechung des Einheitspatentgerichts. Es handelt sich hierbei um ein völlig neues und damit sehr „junges“ Gericht mit neuen Richtern und Institutionen. Welche Rechtsprechung als Maßstab herangezogen wird, ist noch unklar.

Das EPG besteht aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einem Sekretariat. Darüber hinaus ist ein Patentvermittlungs- und Schiedsgerichtszentrum vorgesehen.

Der Gerichtshof setzt sich aus Richtern aus ganz Europa zusammen. Die Gremien bestehen sowohl aus juristisch als auch technisch qualifizierten Richtern mit großer Erfahrung in Patentstreitigkeiten.

In der sogenannten „Sunrise Period“ vom 01. März bis zum 01. Juni 2023 hatten Patentinhaber die Möglichkeit, ein „opt-out“ (Ausschluss) von der Zuständigkeit des Gerichtshofs gemäß Art. 83(3) des UPC-Übereinkommens einzureichen. Es gibt allerdings immer noch die Möglichkeit, die Entscheidung einmalig später zu ändern und doch einem „opt-in“ zuzustimmen. Der VPLT hatte bei einer Informationsveranstaltung bei der Prolight + Sound 2023 davon berichtet. Alle zum ersten April 2023 erteilten EP-Patenten entfalten dann eine einheitliche Wirkung und fallen in der Zuständigkeit des EPG.

LED-Patente

Es gibt eine beträchtliche Anzahl von Patenten für LED-Technologien. Aufgrund der Bedeutung der LED-Technologie für die Hersteller von Scheinwerfern, LED-Wänden und Effektgeräten spielen diese eine wichtige Rolle in unserer Branche. Die Energieeffizienz der LED-Technologie ist entscheidend für die Umsetzung der Vorgaben der Ökodesign-Verordnung und damit für den „Green Deal“. Momentan werden Patentlizenzverträge derzeit neu verhandelt, weil:

  • Viele der lizenzierten Patente abgelaufen sind,
  • einige der durch lizenzierte Patente abgedeckten Technologien in der Industrie nicht mehr verwendet werden,
  • in den USA und bei der Europäischen Patentorganisation (EPO) einige lizenzierte Patente vor Gericht angefochten werden,
  • Patente neu hinzugefügt werden oder
  • Änderungen an Lizenz-Programmen vorgenommen werden.

Der VPLT engagiert sich als Wirtschaftsverband auf EU-Ebene seit 2017. Die Wettbewerbspolitik der EU spielt für unsere Mitglieder eine besondere Rolle. In den letzten Jahren sind Patent Pools, also  Patentgemeinschaften, und ihre Rolle im wettbewerblichen Kontext im Fokus von wissenschaftlichen und politischen Diskussionen. Nach dem Artikel 102(a) des AEUV könnten bestimmte Lizenzbedingungen als unfair oder diskriminierend gelten.

Patentpools = Patentgemeinschaften

Patentpools können als eine Vereinbarung zwischen Patentinhabern definiert werden, die ermöglicht, ein oder mehrere Patente an Dritte zu lizenzieren. Patentpools sind häufig mit komplexen Technologien verbunden, die ergänzende Patente erfordern, um effiziente technische Lösungen bereitzustellen. Es geht dabei um Geschäfte mit erheblichen Summen. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Geräten, die teilweise oder vollständig auf Technologien basieren, die durch Patentpools abgedeckt sind, belaufen sich auf mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Es gibt unterschiedliche Formen von Patentpools:

A. Lizenzpool, auch oft „Offensivpool“ genannt

  1. Sie stellt eine von den Poolmitgliedern getrennte Einheit – die Patentinhaber – dar. Diese versucht, aktiv die Patente der Mitglieder an Dritte zu lizenzieren, oft auf Einzelportfoliobasis.
  2. Dabei wird ein Mechanismus eingerichtet, um die durch Lizenzaktivitäten erzielten Einnahmen unter den Mitgliedern aufzuteilen.

B. Defensive „Patentaggregatoren“

  1. Sie kaufen Patente, um sie vor Unternehmen zu schützen, die sie wahrscheinlich geltend machen würden – im Allgemeinen: Patent Assertion Entities (PAEs) genannt.

C. Kreuzlizenzierung

  1. Mindestens zwei Patentinhaber vereinbaren eine gegenseitige Lizenzierung ihrer Patente.

Mögliche positive oder negative Auswirkungen von Patentgemeinschaften auf die Marktteilnehmer:

Positiv:

  • Sie können Kosten reduzieren, die mit bilateralen Verhandlungen zwischen mehreren Patentinhabern und potenziellen Lizenznehmern verbunden sind,
  • Es gibt klare Sperrpositionen.
  • Im besten Fall ermöglichen sie es alle Parteien, kostspielige Rechtsstreitigkeiten wegen Vertragsverletzung zu vermeiden.
  • Es gibt Effizienzgewinne durch Bereitstellung eines „One-Stop-Shops“ für die Lizenzierung.

Negativ:

  • Sie können Raum für Absprachen bieten (Kartellrecht).
  • Es fallen möglicherweise Gebühren für unnötige Patente an.
  • Sie können ausschließende Lizenzbedingungen verursachen.

Ob Patentpools eine kartellrechtliche Prüfung auslösen können, hängt unter anderem von den betreffenden Technologien oder Patenten ab. Was die Art der gepoolten Technologien/Patente anbelangt, können sie in (i) komplementäre oder (ii) Ersatztechnologien eingeteilt werden; und in einer Standardsetzungsumgebung als (iii) wesentlich (SEP = Standard Essential Patents) oder (iv) nicht wesentlich gelten. Diese Kategorien sind wichtig für die Beurteilung der Auswirkungen auf den Wettbewerb. Bei Standard Essential Patents müssen die Lizenzbedingungen sich nach dem „FRAND“-Prinzip richten: diese müssen Fair, Reasonable and Non-Discriminatory sein.

Eine Expertengruppe (SEPs Expert Group), die von der EU-Kommission im Jahr 2018 beauftragt worden ist, die Lizenzierung und Bewertung standardessentieller Patente zu prüfen, kam unter anderem in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass:

Wenn Vertreter von Lizenznehmer gemeinsam mit Einzelpersonen oder Gruppen von Inhabern und Patentpools verhandeln dürften, könnten die Transaktionskosten weiter gesenkt werden. Es wird daher vorgeschlagen, einen geeigneten Mechanismus und Kontrollen zu entwickeln, um dies zu ermöglichen. Lizenznehmerverhandlungsgruppen (Industrieverbände, die Lizenznehmer aus ihrer Mitgliedschaft vertreten, oder Gruppen einzelner Lizenznehmer), sollten gemeinsam mit Einzelpersonen oder SEP-Inhaber und SEP-Patentpools Lizenzen aushandeln dürfen, ohne das Risiko eines Konflikts mit dem Kartellrecht einzugehen.2

Noch gibt es hierfür keine Rechtsgrundlage im EU-Recht. Der VPLT wäre bereit, mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet, diese Rolle für unsere Branche zu übernehmen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das Einheitliche Patentgericht für europäische Patentverfahren haben wird. Noch herrscht eine parallele Gerichtsbarkeit, die aber in Zukunft vom rein europäischen Verfahren abgelöst wird. Die Entscheidung (vor dem 1. Juni 2023) unter welche Gerichtsbarkeit ein Patent („opt-out“ oder „opt-in“) rechtlich einzuordnen war, war für jedes Patent sicherlich individuell abzuwägen. Aus Sicht des VPLT scheinen die Vorteile eines Einheitlichen Patentgerichts für den Markt größer als die Nachteile zu sein.

Die Diskussionen zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten von Patentgemeinschaften dauern an. Hier beteiligt sich der VPLT an Konsultationen mit der EU-Kommission und an weiteren Diskussionen mit Mitgliedern. Wir empfehlen jedem Mitglied, seine Patentlizenzen regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls neu mit dem oder den Lizenzgebern zu verhandeln. Aufgrund der Komplexität sind solche Verhandlungen mit entsprechendem Rechtsbeistand zu führen. Eine unverbindliche und keineswegs ausführliche Liste von Patentanwälten gibt es in den PDF-Dokument „Einladung/Informationen zum Termin “Enabled Licenses“ bei der Prolight + Sound 2023“.


1 Mariagrazia Squicciarini, Hélène Dernis and Chiara Criscuolo, MEASURING PATENT QUALITY: INDICATORS OF TECHNOLOGICAL AND ECONOMIC VALUE, The Working Paper series of the OECD Directorate for Science, Technology and Industry, OECD, June 6th, 2013, eigene Übersetzung aus dem Englischen

2 Group of Experts on Licensing and Valuation of Standard Essential Patents; ‘SEPs Expert Group’; Contribution to the Debate on SEPs; EU-Commission; Proposal 75; Page 168; January 2021; eigene Übersetzung aus dem Englischen

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